Einführung: Digitale Theologie

Welchen Einfluss hat Kirche im Netz darauf, was wir unter Kirche verstehen?

Gottesdienst, Abendmahlsfeier, Gebetsgemeinschaft oder Seelsorge – wer danach suchte, konnte all das auch schon vor der Pandemie online finden. Doch kirchliche Praxis und Gemeinschaft im Netz waren eher die Ausnahme als die Regel. Zwischen kirchlichem, gemeindlichem Alltag und digitalen kirchlichen Formen war häufig eine Distanz spürbar. Die Pandemie wurde für viele Pfarrer*innen, Gemeindemitglieder und an kirchlichem Leben Interessierte zum Türöffner, um das Netz als kirchlichen, gemeinde- und lebensnahen Ort mehr als bisher zu entdecken und zu nutzen. Das hat auch Auswirkungen auf die Theologie im Allgemeinen und auf das Kirchenverständnis und Kirchenbilder, also auf die Ekklesiologie im Besonderen, die im Mittelpunkt dieser Rubrik steht.

Das Netz – Chance für gemeindliches Leben in der Pandemie

In der Zeit der Pandemie bot das Internet, längst Alltagsbegleiter in den meisten Haushalten, die Chance, gemeindliches Leben weiterzuführen und in Kontakt miteinander zu bleiben.

Gottesdienste und Andachten wurden auf Video aufgezeichnet und online gestellt oder per Webkonferenz, Livestream oder in einer Messengergruppe gemeinsam online gefeiert. Die ersten Schritte waren für die Pfarrerinnen und Pfarrer und ihre Teams oft anstrengend, doch sie erhielten überwiegend gute Resonanz auf diese neuen Angebote. Das ermutigte, auch weiterhin Online-Gottesdienste und Online-Andachten, anzubieten.

Kirche findet ihren Ort im Netz

Das Netz wird seitdem mehr als bisher ein Ort erfahren, wo Kirche auch stattfinden kann. Diesen Perspektivwechsel gab es sowohl bei Pfarrer*innen und Pfarrern[1] als auch bei den Gemeindegliedern, wie aktuelle Studien zeigen.

Digitale Möglichkeiten, Kirche zu sein, rücken also mehr ins Blickfeld und werden voraussichtlich zukünftiges kirchliches Leben stärker als bisher mitprägen und verändern

Wie verändert sich dadurch das Kirchenverständnis?

Das Netz als einen Raum kirchlichen Lebens zu begreifen, hat Auswirkungen auf das Kirchenverständnis und Kirchenbilder, also auf die Ekklesiologie . Die theoretischen Überlegungen zum Kirchenverständnis ergänzen die Praxis kirchlichen Lebens im Netz, die #digitaleKirche , und beide stehen im Dialog und in Wechselwirkung zueinander.

Was heißt „Priestertum aller Gläubigen“?
Wie viel Professionalität, Ordnung und Hierarchie sind in Kirche und Gemeinde nötig?

In der Einleitung zu einer gemeinsamen Reihe der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) , der Evangelischen Akademie der Pfalz und unserer Akademie sind einige ekklesiologische Kernfragen formuliert:

„Leib Christi, Institution, Unternehmen, Verein, Netzwerk, Gemeinschaft der Heiligen – die Vorstellungen davon, was Kirche ist und was sie sein könnte, waren schon immer vielfältig, widersprüchlich und strittig. In der evangelischen Tradition ist Kirche dort, wo „das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden“ (CA VII).

Angesichts steigender kirchlicher Online-Aktivitäten und Netzwerke gerade angesichts der außerordentlichen Herausforderungen durch die pandemiebedingten Einschränkungen des analogen kirchlichen Lebens stellen sich viele Fragen neu und dringlicher: Wo, wer oder was ist eigentlich Kirche? Wo und wie wird gepredigt und werden die Sakramente gereicht? Wie verändert sich das religiöse Bewusstsein? Wie stehen die unterschiedlichen Formen von Offline- und Online-Kirche zueinander? Was verändert sich, wenn die „Zirkulation des religiösen Bewusstseins“ auch im digitalen Raum in Gang kommt? Was heißt „Priestertum aller Gläubigen“? Wie viel Professionalität, Ordnung und Hierarchie sind nötig?“

Die Artikel in der folgenden Rubrik greifen diese Fragen auf.

Mehr zum Hintergrund

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[1] Zwei wichtige Studien aus Sicht der Pfarrpersonen und Gemeinden: CONTOC-Studie (https://contoc.org/de/contoc/) und die Midi-Studie 2021 (https://www.mi-di.de/materialien/gottesdienstliches-leben-waehrend-der-pandemie ). Die Befragungsstudie „Rezipiententypologie evangelischer Gottesdienstbesucher*innen während und nach der Corona-Krise“ ((https://presse.ekir.de/presse/DF839B2CED9F47FB8C89C97FE962B1F4/aktuelle-studien-zeigen-kirche-ist-digitaler-geworden ) bietet die Sicht von Gottesdienstbesucher*innen.

  • Bettina Förster (Studienleiterin Medien und Öffentlichkeitsbeauftragte)