„Wer schweigt, stimmt zu“

Verschwörungsmythen haben im Netz Konjunktur

Einen analytischen Blick auf „Verschwörungsmythen zu Corona-Zeiten“ warf die Theologin, Pädagogin und Netzaktivistin Dr. Katrin Juschka. Ihre Erkenntnisse teilte sie von Bildschirm zu Bildschirm mit  50 Interessierten.

Einen analytischen Blick auf „Verschwörungsmythen zu Corona-Zeiten“ warf die Theologin, Pädagogin und Netzaktivistin Dr. Katrin Juschka. Ihre Erkenntnisse teilte sie von Bildschirm zu Bildschirm mit  50 Interessierten. Das Auftakt-Webinar, dem noch zwei weitere folgen werden, ist Teil einer Kooperationsreihe der Evangelischen Akademie im Rheinland mit dem Evangelischen Schulreferat Duisburg-Niederrhein , dem Evangelischen Kirchenkreis Duisburg  und dem Neuen Evangelischen Forum Moers .

Warum kochen Grüchte in Krisenzeiten schneller hoch?
Juschka, die sich seit Jahren gegen Antisemitismus und Rassismus im Netz engagiert, saß in ihrer Kasseler Wohnung am PC, „ich spreche zu ihnen quasi aus meiner privaten Gerüchteküche“. Warum kochen Gerüchte in Krisenzeiten schneller hoch? Wie ballen sie sich zu geschlossenen Weltsichtsystemen zusammen? Welche Menschen sind besonders anfällig dafür, ihre geistige Heimat in einer verschwörungsgläubigen Gruppe zu suchen?

Verschwörungsmythen bietet einfache und vollständige Erklärungen
Juschka arbeitete ihre Fragestellungen methodisch ab. Verschwörungstheorie? Nicht doch, eine Theorie ist gewöhnlich der Anfang einer Untersuchung nach wissenschaftlichen Methoden und setzt eine ergebnisoffene Herangehensweise voraus. Ein Verschwörungsmythos hingegen findet eine Bedrohung, verkündet dann ein Täuschungsszenario und stößt schnell auf Personen oder Gruppen, die die vorausgesetzte Intrige zu ihrem Vorteil eingefädelt haben sollen. Das kann die Familie Rothschild sein, Bill Gates, die Freimaurer oder schlicht „die da oben“. Wichtig ist das Angebot einer einfachen Erklärung für alles.

Unsicherheit erhöht die Bereitschaft, an Verschwörungsmythen zu glauben
In Krisenzeiten empfinden viele Menschen die Unübersichtlichkeit der Lage als besonders bedrohlich. Sie sehnen sich nach der einen Erklärung, die ihnen mit einem Schlag überlegenes Wissen, die Zugehörigkeit zu einer ebenfalls wissenden Gruppe und ein neues Gefühl der Sicherheit bietet. Anfällig sind, man ahnt es schon, Menschen, die schlecht mit Unsicherheit umgehen können, die mit Ängsten zu kämpfen haben und mit Orientierungsproblemen. Als solche erweisen sich in unruhigen Zeiten so Viele, dass man plötzlich auch im eigenen Bekanntenkreis auf radikale Impfgegner, Virusleugner und Endzeitpropheten stößt, wo man sie nie vermutet hätte.

Katrin Juschka: „Im Netz Haltung zu zeigen ist wichtig.“
Die Inbrunst mit der Verschwörungsmythen geglaubt und weitergegeben werden trägt oft pseudoreligiöse Züge. Die Verschwörungsgläubigen sehen Andersdenkende als Schlafschafe ohne „kritisches“ Bewusstsein und eigenes Denken. Sie müssen sich von ihren Mitmenschen im Gegenzug oft als Aluhutträger und Idioten verspotten lassen. Keine gute Basis für ein Gespräch, stellte Juschka fest. Sie riet ihren Webinar-Teilnehmern eher dazu, freundlich nach den Quellen der geäußerten Fakten zu fragen und sich nicht in einen argumentativen Schlagabtausch verwickeln zu lassen. Bei Äußerungen auf den sozialen Medien riet sie dazu, Verschwörungsäußerungen nicht unwidersprochen stehen zu lassen. Juschka: „Im Netz Haltung zeigen ist ganz wichtig. Wer schweigt, stimmt zu!“

Auftakt einer dreiteiligen Reihe. Nächster Termin: 9. Juni 2020
Als nächstes steht in der Reihe ein kostenfreier Online-Workshop auf dem Programm: „Umgang mit Verschwörungsideologien im Bildungsalltag – für Multiplikator*innen“ am Dienstag, 9. Juni 2020 von 19 bis 21 Uhr im Netz und offen für alle Interessierten. Zu Gast ist Benjamin Winkler, der bei der Amadeu Antonio Stiftung Fachreferent für Reichs- und Verschwörungsideologie ist. Infos gibt es unter www.ev-akademie-rheinland.de.

Sabine Merkelt-Rahm / 29.05.2020