„Suchet des Web Bestes …“

Fakenews, Hass und neue Formen der Gemeinschaft im Netz standen am 7. April  2020 im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung zum Akademie-Projekt #2komma42 – VerNETZt im Glauben. Wie kann christliche Gemeinschaft im digitalen 21. Jahrhundert aussehen?“

Bei dem Titel  „Suchet des Web Bestes …“  klingt bereits das Thema durch. Es ging um Spaltung und Gemeinschaft im Netz und kirchliches Engagement für eine bessere Netzkultur.

Das World Wide Web hat vor 30 Jahren vieles versprochen – mehr Kooperation, Teilhabe und Vielfalt. Was ist davon heute geblieben? Vor allem die Sozialen Medien erscheinen renovierungsbedürftig. Doch was können Christinnen und Christen zu dieser Renovierung beitragen? Hier gab die medienethische Tagung über Spaltung und Gemeinschaft im Netz Hilfestellungen und anschauliche Beispiele.

Denn es geht darum, dem Hass Einhalt zu gebieten und das Netz als Ort der Gemeinschaft zurückzugewinnen. Die Akademie hatte zu dieser Tagung gemeinsam mit der Evangelischen Kirche im Rheinland  und der Melanchthon-Akademie Köln  eingeladen. Wegen der Pandemie fand die Tagung online statt.

Die Vorträge der Tagung sind hier als Video abrufbar.

Theologischer Eröffnungsimpuls von Professor Dr. Andreas Büsch:
„Vom Netzrauschen und dem Schatz im Acker. Warum wir nicht vorschnell mit dem Finger auf andere zeigen sollen“

Der katholische Theologe Professor Dr. Andreas Büsch lehrt an der Katholischen Hochschule Mainz Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft. Darüber hinaus ist er Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz .

„Prüfet alles und behaltet das Gute“ (1 Thess 5,21) – das passt vielleicht auf die alte Welt der Massenmedien. Wie die digitale Netzwelt gestaltet wird, liegt aber ganz wesentlich an uns – welche Haltung wir einnehmen und welche Werte wir aktiv vertreten“, davon ist Büsch überzeugt.

In seinem theologischen Eröffnungsimpuls setzte er sich u.a. mit der Leitfrage auseinander, welchen Beitrag die Kirchen, Christinnen und Christen in der digitalen Gesellschaft für eine gute Netzkultur leisten können, in der christliche Werte wie Offenheit, Respekt oder Nächstenliebe wieder mehr zum Tragen kommen. „Wir müssen Verantwortung in der digitalen Kommunikation übernehmen und sollten nicht vorschnell mit dem Finger auf andere zeigen“, unterstreicht der Medienpädagoge.

Aus aktuellem Anlass ging Andreas Büsch auch auf das Thema Fakenews ein, denn in der Corona-Krise haben sie im Netz Konjunktur.

„Vom

Empörung, Diffamierung und Hassrede nehmen zu
Es ist allgemein zu beobachten,  dass Empörung, Diffamierung und Hassrede zunehmen. Dabei gibt es keine Trennlinie zwischen online und offline, das Internet und digitale Medien gehören zum Alltag wie das Gespräch auf der Straße oder im Kollegenkreis. Aber die Kommentarspalten von YouTube oder Facebook schaffen Beleidigungen, rassistischen oder antisemitischen Posts eine Bühne vor vielen stummen Mitleserinnen und Mitlesern. Schon ein „Gefällt mir nicht“ bei YouTube oder ein weinender Smiley bei Facebook können hier ein Signal setzen, aktive Gegenrede, die Haltung zeigt oder Argumente entkräftet, umso mehr.

Wie kann Kirche Zivilcourage im Netz stärken?
Das Projekt „Netzteufel“ wirkt mit christlichen Gegenbildern gegen den Hass
„Netzteufel“, das Projekt der Evangelischen Akademie zu Berlin, ist noch einen Schritt weiter gegangen. Es hat sich von der Gegenrede, die lediglich auf den Hass reagiert und nicht aus diesem Kreislauf ausbricht, gelöst: „Welche positiven christlichen Bilder und Geschichten können wir dem Hass entgegensetzen?“,  fragten sich Projektleiter Timo Versemann und sein Team  des im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ geförderten Projekts.  „Mit christlicher Hoffnungsrede,  #hopeSpeech, wollten wir zeigen, wie Menschlichkeit und Menschenwürde in einer digitalisierten Welt aussehen können.“ Entwickelt wurden theologisch anspruchsvolle Gegennarrative und Handlungsstrategien.Der evangelische Theologe stellte in seinem Video für die Online-Tagung Werkzeuge, Techniken und Strategien vor und gibt Praxisbeispiele an die Hand.

Zur Person
Timo Versemann hat Evangelische Theologie in Tübingen und Berlin studiert. Studienschwerpunkte waren u.a. Dialektik von Widerstand und Versöhnung. Neben dem Studium hat er sich mit netzpolitischen Fragen von IT-Sicherheit, digitaler Kommunikationskultur und mit Grundrechten im digitalen Zeitalter beschäftigt.

„From

Für weniger Hass und Hetze im Netz
Verfolgen statt nur Löschen – eine Initiative der Landesanstalt für Medien NRW

Auch die von der Landesmedienanstalt NRW mitgetragene Initiative „Verfolgen statt nur Löschen“ setzt sich ein gegen Rücksichtslosigkeit im Netz. Sie nutzt dazu die vorhandenen rechtlichen Mittel, denn Hasskommentare postet man nicht „einfach mal so“, sie können strafrechtliche Konsequenzen haben. Barbara Bancyzk von der Landesanstalt für Medien NRW und  Mitinitiatorin der Initiative, ergänzte die Tagung mit einer Präsentation, die am Schluss des Artikels zum Abruf bereit gestellt ist.

Zur Person:
Barbara Banczyk ist seit 2008 Referentin bei der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LFM NRW), aktuell im Team Aufsicht; seit 2009 auch Prüferin der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM).

Wo findet sich heute christliche Gemeinschaft im Netz?
Ist also das Positive, sind neue Formen der Gemeinschaft, die im Netz entstehen können, auf der Strecke geblieben? Oder wo sind sie heute zu finden? Rolf Krüger, Digitalberater und einer der Pioniere christlichen Netzengagements mit Formaten wie amen.de, hat sich auf die Suche gemacht. Er stellt Beispiele kirchlicher Netz-Initiativen vor – als Inspirationen für eigenes, alltägliches Engagement.

Unser tägliches Netz gib uns heute: wie christliche Gemeinschaft Netzkultur prägt
Rolf Krüger meint zu seiner Bestandsaufnahme: „Es ist ja sehr spannend, was sich gerade im Moment um das Thema digitale Communities tut. Ich saß gestern mit einer Reihe von Kreativen zusammen – wir überlegen, was Corona für Kirche heißt und was wir über Gottesdienst-Streaming hinaus tun können. Wer hätte gedacht, dass diese Tagung so hochaktuell wird. Katharina Haubold und ich machen gerade für den Frischetheke-Podcast  Mini-Interviews mit Initiativen. Sehr spannend, was da gerade entsteht…“

Um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern, müssen die Gottesdienste vorerst ausfallen, das gemeindliche Leben vor Ort verändert sich. Viele Kirchengemeinden entwickeln tatkräftige Nachbarschaftshilfen für Menschen, die zu den Risikogruppen gehören oder in Quarantäne sind, z.B. Einkaufshilfen oder Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Andererseits brauchen wir alle jetzt, wo wir mehr physische Distanz halten müssen, geistliche und seelsorgerliche Begleitung. Und wir fühlen es: Gemeinschaft, auch Gemeinschaft vor Gott, ist gerade jetzt nötig. Mit neuen Angeboten in den sozialen Medien und im Internet antworten Pfarrerinnen und Pfarrer, Kirchengemeinden, Christinnen und Christen schon heute, wenige Tage nachdem sich unser Alltag einschneidend verändert hat, auf diese neue Situation. Livestream, Gebetsgemeinschaften, Online-Seelsorge …

Zur Person:
Rolf Krüger ist strategischer Medienentwickler rund um #Medien, #Digitalisierung und #Digitalität und verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Fresh-X-Netzwerks . Krüger ist einer der Pioniere christlichen Netzengagements und hat die Portale Jesus.de  und amen.de  gegründet und 20 Jahre geleitet.

„Unser

„Suchet des Web Bestes … “ ist Auftaktveranstaltung für das interdisziplinäre Jahresprojekt der Akademie
„#2komma42 –VerNETZt im Glauben“

Logo des Projektes #2komma42

Die Suche nach neuen Formen christlicher Gemeinschaft im Netz setzt sich dann über die Tagung hinaus dem  interdisziplinären Jahresprojekt der Evangelischen Akademie im Rheinland fort: „#2komma42 – VerNETZt im Glauben. Wie kann christliche Gemeinschaft im 21. Jahrhundert aussehen?“

Anknüpfungspunkt und Leitfaden ist das Bild vom Leben der Urgemeinde in Jerusalem. Die Gemeinschaft der ersten Christen war lose gefügt, mit einzelnen Netzpunkten. Ihre Glaubenspraxis verband sie: Gemeinschaft, Gebet, Geschichten der Hoffnung, Brotbrechen. Bis heute gelten diese vier Punkte als die wesentlichen Merkmale von christlicher Gemeinschaft, von Kirche, von christlicher Identität. Wie lässt sich diese christliche Praxis heute im digitalen Raum leben und gestalten?

Die Akademie lädt ein zu Gesprächen und Workshops an unterschiedlichen Orten der rheinischen Kirche, gibt Impulse in Videos, Blogs und in den sozialen Medien. Alle Projektaktivitäten der fünf Themenbereiche – Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Medien – werden auf Instagram begleitet und ab März 2020 auf der Website www.2komma42.de gebündelt. Der Hashtag #2komma42  übersetzt die zugrunde liegende Bibelstelle – Kapitel 2, Vers 42 aus der Apostelgeschichte – ins Netzformat und gibt dem Projekt den Namen.

Informationen zur Tagung
Die Veranstaltung gehört zur Tagungsreihe „Mehr digitale Souveränität gewinnen“, zu der der Arbeitsbereich Kommunikation  des Landeskirchenamts der Evangelischen Kirche im Rheinland und die Melanchthon-Akademie in Köln seit 2016 gemeinsam einladen.

  • Bettina Förster (Studienleiterin Medien und Öffentlichkeitsbeauftragte)