Kirche, Amt und Gemeinschaft

Gesprächsimpuls von Dr. Horst Gorski zum 3. Workshop der Reihe: Digital - parochial - global?! Ekklesiologische Perspektiven im Digitalen

Der evangelische Theologe Dr. Horst Gorski sieht die gegenwärtige Kirche von zwei Megatrends bestimmt: dem Professionalisierungs- und Zentralisierungsdruck in kirchenleitenden Strukturen einerseits stehen eine zunehmende Partizipation und Selbstermächtigung der kirchlichen Akteure im digitalen Raum andererseits gegenüber.

Dr. Horst Gorski: Kirche, Amt und Gemeinschaft

Beide Megatrends haben Auswirkungen auf Handlungsräume auf allen kirchlichen Ebenen und auf das Amtsverständnis, die er so skizziert:
„Wird die Kirche der Zukunft dichotom sein, einen organisatorisch straff geführten Teil haben mit einigen (weniger als heute) ordinierten Amtsträgern, über die ein Teil der Verkündigung noch gesteuert wird? Und einen davon unabhängigen geistlichen/virtuellen Teil, in dem die Verkündigung (und die Dogmatik) partizipativ entwickelt wird? Wie unabhängig werden und können beide Teile tatsächlich sein, wieviel Parochie brauchen auch Netzgemeinden im Hintergrund? Leben Netzgemeinden vielleicht von Voraussetzungen, die sie selbst negieren?“

Zeit, eine neue Theologie zu skizzieren
Der Vizepräsident im Kirchenamt der EKD fordert, dass in diesem Spannungsfeld eine neue Theologie reflektiert und begründet werden muss, die nicht aus aus den Bekenntnisschriften mit ihren eigenen historischen Bedingungen abgeleitet ist. Leitfrage dabei sollte vielmehr sein: „Was wollen wir, wie reflektieren wir es theologisch und wie wollen wir es gestalten?“

Impuls zum Workshop; Kirche, Amt, Gemeinschaft
Der Vortrag ist ein Impuls für den dritten Workshop der Reihe: Digital – parochial – global?! Ekklesiologische Perspektiven im Digitalen , der am 9.4.2021 online stattfand. Die Workshopreihe ist eine Kooperation der Forschungsstätte der Evangelische Studiengemeinschaft , der Evangelischen Akademie der Pfalz  und der Evangelischen Akademie im Rheinland zu Fragen der Ekklesiologie im digitalen Raum.

In der evangelischen Tradition, und hier setzt diese Workshopreihe an, ist Kirche dort, wo „das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden“, doch das geschieht nicht losgelöst von Zeit und Raum. Erzählte Rede, Schrift, Buchdruck und jetzt die Digitalisierung – die Theologie, die Rede von Gott, und kirchliche Praxis werden immer wieder durch neue Medien vermittelt. Wie lässt sich christliche Praxis heute im digitalen Raum gestalten? Verändern sich dadurch die Begriffe von Amt und Gemeinschaft und, wenn ja, in welcher Weise? Letztere Frage stand im Mittelpunkt des dritten Workshops der Reihe „Digital – parochial – global?!“ Die Thesen, die für den dritten Workshop als Diskussionsgrundlage dienten, sind hier abrufbar .

Mehr Informationen zur gesamten Workshopreihe:
Angesichts steigender kirchlicher Online-Aktivitäten und Netzwerke gerade angesichts der außerordentlichen Herausforderungen durch die pandemiebedingten Einschränkungen des analogen kirchlichen Lebens stellen sich viele Fragen neu und dringlicher: Wo, wer oder was ist eigentlich Kirche? Wo und wie wird gepredigt und werden die Sakramente gereicht? Wie verändert sich das religiöse Bewusstsein? Wie stehen die unterschiedlichen Formen von Offline- und Online-Kirche zueinander? Was verändert sich, wenn die „Zirkulation des religiösen Bewusstseins“ auch im digitalen Raum in Gang kommt? Was heißt „Priestertum aller Gläubigen“? Wie viel Professionalität, Ordnung und Hierarchie sind nötig? Die Workshopreihe greift die ekklesiologischen Fragen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis auf. Praktiker*innen, Wissenschaftler*innen und Kirchenleitende kommen in drei Workshops über diese Fragen miteinander ins Gespräch. Nach Impulsen aus der Praxis und der Dogmatik soll ein Thesenpapier zu diesen Fragen zu erarbeitet werden, das für die weitere Diskussion in Theologie und Kirche(n) online und offline genutzt werden kann.

Dr. Horst Gorski, Foto: Sven Kriszio-ekd.de

Zur Person:
Dr. Horst Gorski hat evangelische Theologie in Hamburg und Wien studiert und promoviert. Nach dem Vikariat und einer ersten Stelle als Assistenzreferent im Kirchenamt der EKD folgten 15 Jahre als Gemeindepastor, zunächst in Hamburg-Wilhelmsburg, dann in Hamburg-Iserbrook. 1999 wurde er Propst, zunächst des Kirchenkreises Altona, dann im fusionierten Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein. Seit September 2015 ist Gorski Leiter des Amtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und Vizepräsident im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Diese Doppelfunktion ist Teil des sog. „Verbindungsmodells“ zwischen EKD, VELKD und der Union Evangelische Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (UEK).

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